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Das sagt die Polizei zu Fahrraddiebstahl

Das sagt die Polizei zu Fahrraddiebstahl

Wir haben in einem längeren Interview mit dem Polizeihauptkommissar M. Fuchs über das Thema Fahrraddiebstahl, Ermittlungsarbeit und Prävention gesprochen. Es war ein sehr spannender Austausch und hat viele neue Perspektiven gezeigt. In der Tat können wir manchmal mehr für die Sicherheit unserer Fahrräder tun, als es im ersten Moment möglich scheint.

Im ersten Teil des dreiteiligen Interviews geht es um aktuelle Fälle und Informatives zum Fahrraddiebstahl. Unser Interviewpartner Polizeihauptkomissar M. Fuchs ist Leiter für den Sachbereich Prävention für die gesamte Polizeiinspektion Brandenburg an der Havel. Das Themenspektrum reicht von Opferschutz und Opferhilfe, Gewaltprävention, Betrug, Eigentums- und Diebstahlschutz bis zum Schwerpunkt Cyber Mobbing. Das Gebiet umfasst etwa 2.500km².

Teil 1: Aktuelle Fälle

I LOCK IT: Wie ist die aktuelle Situation zum Thema Fahrraddiebstahl in Brandenburg an der Havel? Was sind Ihre Erfahrungen?

M. Fuchs: Im städtischen Gebiet Brandenburg an der Havel ist eine zunehmende Fahrradkultur festzustellen. Gesundheitsaspekte und fehlende Parkplätze sind die häufigste Motivation mehr und mehr das Fahrrad zu nutzen. Im Jahr 2016 wurden in der Stadt 432 Fahrraddiebstähle angezeigt, also rund 1,2 Räder am Tag. 2017 hingegen sank die Zahl um 18 Prozent auf 354 Anzeigen. Die Aufklärungsquote lag im Jahr 2016 bei 5 Prozent und hat sich im Folgejahr (2017) auf 6,7 Prozent erhöht. Die Delikte sind insbesondere im Bereich der Brandenburger Neustadt, am Hauptbahnhof und in Kellern zu verzeichnen. Bisher ist uns übrigens auch keine Anzeige bekannt mit einem smarten Fahrradschloss.

I LOCK IT: Spielt eher der Wert eines Fahrrads oder günstige Tatumstände eine Rolle bei Diebstahl?

M. Fuchs: Tatsächlich ist eine Zuordnung der Wertigkeit eines Fahrrads nicht möglich bzw. es gibt keine Tendenz, dass bestimmte Räder “beliebter” sind bei Tätern, als andere. In über 90 Prozent der Fälle wurde die mechanische bzw. technische Sicherheit überwunden. Oder mit anderen Worten: Das Fahrradschloss wurde aufgebrochen. Eine Kollegin musste einmal an einem belebten Ort wie dem Hauptbahnhof in Zivil das Fahrrad ihrer Tochter aufbrechen, da diese ihren Schlüssel verloren hatte. Mit einem Bolzenschneider machte sie sich am Fahrrad zu schaffen und konnte es auch erfolgreich öffnen, nur leider hat es niemanden interessiert.

Ignoranz hilft Dieben

I LOCK IT: Liegt das an einer mangelnden Zivilcourage bei dieser Art von Tat?

M. Fuchs: Woran es genau liegt, kann auch ich nicht sagen. Ich appelliere aber an Zeugen, die einen Fahrraddiebstahl beobachten, unbedingt die Polizei unter der 110 anzurufen. Sie unterstützen uns, indem Sie eine Beschreibung des Täters und auch Fahrrads bereithalten oder was noch besser hilft: ein Handyvideo aufzeichnen. Dieses wird als Beweismittel von der Polizei aufgenommen. Eine Straftat ist es nur dann, wenn Sie es weiterverbreiten. Den Täter anzusprechen, sollten Sie bitte nur mit Vorsicht machen, da es sein kann, dass der Täter unter Drogen steht und sie bedroht. Sich selbst also nie in Gefahr bringen ist das Wichtigste.

I LOCK IT: Ist richtiger Diebstahlschutz ein Problem der Bequemlichkeit?

M. Fuchs: Da sind wir schnell beim Thema Gelegenheitsdiebstahl. Ich stelle immer wieder fest, und das auch außerhalb meiner Dienstzeit, dass viele z.B. auf dem Weg zum Bäcker ihr Fahrrad nicht anschließen. Dies stellt ein hohes Risiko dar und lädt andere ein, zum Dieb zu werden. Ein automatisiertes Abschließen ist da sicherlich eine bequeme Lösung, denn dann ist der Schutz gegeben. Dazu dann ein akustisches Signal, welches in Sichtweite hörbar ist – und Sie haben alles zum Schutz getan.

Teil 2: Ermittlung

I LOCK IT: Wie werden Fahrraddiebstahls-Delikte üblicherweise bei der Polizei zur Kenntnis gebracht?

M. Fuchs: Es gibt zwei Varianten. Einmal können Sie persönlich bei uns im Präsidium die Anzeige aufgeben, dann wird es auch direkt in Fahndung gegeben. Oder Sie gehen auf polizei.brandenburg.de und erstatten online eine Strafanzeige. Sie benötigen auf jeden Fall die individuellen Merkmale Ihres Fahrrads und ein Bild.

I LOCK IT: Wie gestaltet sich die polizeiliche Ermittlungsarbeit?

M. Fuchs: Besteht die Möglichkeit Spuren am Tatort zu sammeln, dann wird das auch gemacht. Sind zum Beispiel Fingerabdrücke vorhanden, können diese möglicherweise auch mit anderen Diebstahltaten in Verbindung gebracht werden, sodass schlussendlich die Fahrraddiebstahltat aufgeklärt werden kann.

Wer kümmert sich um den Fahrraddiebstahl?

I LOCK IT: Die Aufklärungsquote lag im bundesdeutschen Schnitt bei 3,7% aller gemeldeten Fälle: Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach Fahrraddiebstahl innerhalb der Polizei?

M. Fuchs: Bezogen auf die Polizeiinspektion Brandenburg macht Fahrradkriminalität etwa 4% der Gesamtlage aus. Für uns ist die Verhütung von Straftaten besonders wichtig, daher arbeiten wir mit einem Sicherheitskonzept zu dieser Thematik. Im Kern geht es uns darum, die Fallzahlen zu reduzieren und die Aufklärungsquote zu erhöhen, aber auch die Verkehrsunfälle mit Radfahrern als Beteiligte wollen wir senken und übergreifend Präventionshinweise an die Bevölkerung verteilen. Wer von Fahrraddiebstahl betroffen ist, merkt das auch sofort im Portemonnaie und das Sicherheitsgefühl senkt sich. Die Polizei arbeitet kontinuierlich an der Aufklärung der Fälle und benötigt dafür auch die Mithilfe der Bestohlenen. Prävention erleichtert die Ermittlungsarbeit und die Rückführung des eigenen Fahrrads ist noch eher möglich.

Teil 3: Prävention

I LOCK IT: Wie viel muss ein sicheres Fahrradschloss kosten?

M. Fuchs: Der Preis ist nicht von Relevanz. Es kommt darauf an, dass alle Sicherheitsansprüche ausreichend abgedeckt sind. Die Qualität der Materialien ist also viel wichtiger, als ein hoher Preis. Stellen Sie sich einmal vor: Diebe sind mit Bolzenschneider und Akkuflex unterwegs. Dünnes Material kann dem nicht lange Stand halten. Das Entdeckungsrisiko muss so hoch wie möglich sein. Je länger es dauert, die Sicherung zu überwinden, desto eher bricht der Täter seinen Diebstahl ab.

I LOCK IT: Mit welchen präventiven Maßnahmen arbeitet die Polizei beim Fahrraddiebstahl?

M. Fuchs: Die wichtigste Aktion, die regelmäßig stattfindet, ist die Fahrrad-Codier-Aktion. Bei einer Codierung wird ein individueller Code erstellt, der zum Eigentümer des Fahrrads führt, da dieser am Fahrrad angebracht ist. Die Polizei kann diesen Code auslesen und im Falle der Sicherstellung eines Fahrrades überprüfen, ob Radfahrer und Fahrrad übereinstimmen. Außerdem empfehlen wir immer einen Fahrradpass zu erstellen.

Viel hilft viel?

I LOCK IT: Der ADFC empfiehlt ja zwei verschiedene Schlösser zu nutzen. Ist das wirklich notwendig?

M. Fuchs: Es erhöht in jedem Fall die Sicherheit, da Täter so noch länger brauchen die Fahrradschlösser aufzubrechen. Damit steigt das Risiko entdeckt zu werden. Mein Tipp ist auch, sein Fahrrad nicht nur abzuschließen, sondern auch an einen festen Gegenstand anzuschließen. So wird auch ein vorhandener Alarm nicht überwunden. Das I LOCK IT bietet gute Alternativen der zusätzlichen Sicherung: die Einsteckkette oder auch der Alarm. Das Beispiel Einfamilienhaus zeigt auch, dass die wenigsten Diebstähle beendet werden, wenn der Alarm ausgelöst wird. Ist noch ein zusätzliches Lichtsignal aktiv, wird auch die Nachbarschaft optisch alarmiert.

I LOCK IT: Smarte Fahrradschlösser erobern derzeit den Markt, wie schätzen Sie die Sicherheit dieser neuen Schlösser ein?

M. Fuchs: Die neuen Fahrradschlösser sorgen für erhöhte Sicherheit. Der integrierte Alarm als zusätzliche Sicherung ist eine sinnvolle Erweiterung. Denn die wenigsten Diebstahlversuche werden beendet, wenn ein Alarm ausgelöst wird. Die Kombination der Sicherheitsklassen eines mechanischen und eines akustischen Schutzes ergänzt durch smarte Funktionen (Alarmmitteilung auf das Smartphone), erhöht die Sicherheit vor Fahrraddiebstahl.

Was kann man selbst tun?

I LOCK IT: Welche Tipps haben Sie für Radfahrer, um es den Dieben so schwer wie möglich zu machen?

M. Fuchs:

  • a Fahrrad nicht in “toten” Bereichen anschließen, wo Täter unentdeckt agieren können.
  • b Mit anderen Gegenständen anschließen.
  • c Mehrere Sicherungsvarianten nutzen.

Wenn es dann doch einmal passiert, dann bringen Sie den Diebstahl auf jeden Fall zur Anzeige, auch wenn es nicht angeschlossen war. Nur so kann die Polizei bei der Aufklärung und Rückführung helfen.